Ein Interview der jw mit Andy Gheorghiu. Er ist Mitglied der Bürgerinitiative »Fracking-freies Hessen«
“Die Bundesministerien für Wirtschaft und Umwelt haben Länder und Umweltverbände aufgefordert, sich bis zum 23. Januar zu Gesetzesvorhaben zum Fracking zu äußern. Geht es darum, nun in Deutschland das umstrittene Aufbrechen des Gesteins zu erlauben, um Erdgas aus dem Boden zu pressen?
Offenbar beabsichtigen die Ministerien, mit der neuen Regelung Schlupflöcher zu öffnen, damit erdgasfördernde Konzerne in Niedersachsen weiter bohren können. Dort werden bislang 95 Prozent des deutschen Erdgases gefördert.
Welche Umweltgefahren sind mit Fracking verbunden?
Unabhängig davon, ob das Gas einzig mit Hilfe von Wasser oder mit Chemikalien versetzt unter hohem Druck aus dem Boden gepresst wird, wird viel Trinkwasser dabei verbraucht. Im Untergrund mischt sich sauberes Wasser mit solchem, das bereits Schwermetalle enthält – bei beiden Methoden! Auch die Gefahr der Kontamination des Wassers durch Chemikalien ist groß. Fracking geht über das Risiko einer Grundwasserverschmutzung hinaus. Im New York State wurde Fracking kürzlich wegen »signifikanter Gesundheitsrisiken« verboten.
Wir kritisieren es auch, wenn die Bundesregierung durch einen stabilen Rechtsrahmen für Fracking die politisch beschlossenen Klimaschutzziele und die Energiewende torpediert.
In Deutschland ist die Rede von konventionellem und unkonventionellem Fracking – was ist der Unterschied?
In konventionellen Gasvorkommen kann das Erdgas, hauptsächlich Methan, weitgehend selbständig aus Gesteinsporen entweichen. Bei unkonventionellen müssen mit Hilfe von »Hydraulic Fracturing« künstliche Risse geschaffen werden, damit das Gas entweicht. Im Prinzip ist es aber Unsinn, Fracking als konventionell oder unkonventionell zu bezeichnen. Diese Begrifflichkeiten sind politisch motiviert und dienen dazu, Gefahren zu verschleiern. Zur Zeit wird versucht, das in Niedersachsen im Sandstein praktizierte Fracking als konventionell einzuordnen – und damit als angeblich weniger umweltgefährdend. In Deutschland wird seit den sechziger Jahren Erdgas gefördert – und es sei noch nie etwas passiert, verlautbaren Fracking-Befürworter aus Industrie und Politik. Es gibt aber keinerlei spezifische Untersuchungen darüber. Tatsache ist: Bohrschlämme sind mit teils krebserregenden Kohlenwasserstoffen, giftigen Schwermetallen wie Arsen und Quecksilber und radioaktiven Isotopen belastet. Zu Unfällen ist es auch schon gekommen: vornehmlich durch undichte Rohrleitungen.
Wer hat vorrangig Interesse daran, mehr Fracking zu betreiben?
Die US-Administration hat ein weltweites Programm aufgelegt, um eine Ausweitung der Schieferöl- und -gasförderung zu bewirken – auch in europäischen Partnerländern. Konzerne wie Shell, Total, Chevron und andere streben an, den Rechtsrahmen für ihre Geschäfte weltweit günstig zu gestalten. Exxon Mobil hat kürzlich in Deutschland eine Medienkampagne mit Anzeigen gefahren: »Lassen Sie uns über Fracking reden«.
Welche Rolle spielen die Verhandlungen zu den Freihandelsabkommen CETA und TTIP zwischen der EU und Kanada beziehungsweise den USA in bezug auf Fracking?
Besonders die darin geplante Vereinbarung von internationalen Schiedsgerichten und Sonderklagerechten für Konzerne ist für uns eine große Gefahr. Beispiel: Weil die Provinzregierung im kanadischen Quebec ein befristetes Verbot für Fracking eingeführt hatte, fühlte sich das Unternehmen Lone Pine in seinen Rechten eingeschränkt. Es fordert 250 Millionen Euro Schadensersatz von der kanadischen Regierung. Als Grundlage hierfür dient der nordamerikanische Freihandelsvertrag »NAFTA«. Fakt ist: In Nordrhein-Westfalen haben Unternehmen eine Fläche von 60 Prozent mit Lizenzen belegt, um dort Erdgas zu fördern. Würde die Bundesregierung oder das Land NRW dies doch noch verhindern wollen und wären die Sonderklagerechte vereinbart, dann könnten die Unternehmen sie auf Schadensersatz verklagen. Wir Steuerzahler müssten im Ernstfall dafür geradestehen.
Gibt es Gegenwehr?
Regionale Bürgerinitiativen in Deutschland werden sich deshalb am 18. April am globalen Aktionstag gegen TTIP und CETA beteiligen – aber auch Umweltverbände wie der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU), der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).”
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