Hier ein dazu passender Artikel aus Rotenburg , einer von der Erdgasförderung besonders betroffener Gegend. Der Artikel stammt aus der “Kreiszeitung.de”
Kritik an Fracking-Kompromiss aus der Region
„Verraten und verkauft“
Rotenburg/Berlin – Von Michael Krüger. Ein Durchbruch? Wenigstens eine Lösung? Oder nur ein müder Kompromiss? Am Freitag stimmt der Bundestag über das nun doch kurzfristig auf den Weg gebrachte Fracking-Gesetz ab. Dem schwarz-roten Jubel von Berlin und auch in Teilen der rot-grünen Landesregierung mag sich in der Region allerdings niemand so recht anschließen. Denn klar ist: Erdgasförderung wird hier in seiner bislang praktizierten Form größtenteils weiter möglich sein – unter gewissen Einschränkungen.
Das alte, längst nicht mehr dem Diskurs angemessene Bergrecht zur Regelung der Erdgasförderung hat damit zwar ausgedient. Doch das, was der Kreis in weitgehender politischer Einigkeit und natürlich die vielen Bürgerinitiativen erreichen wollten, wird es nicht geben: ein komplettes Verbot auch des sogenannten konventionellen Frackings in tiefen Sandsteinschichten. „Es ist nicht das, was wir uns hier erwünscht haben“, sagt Landrat Hermann Luttmann (CDU). Dass nun mehr Verantwortung auf den Landkreis als Untere Wasserbehörde abgewälzt werde
, hält er für unglücklich. Der Kreistag bleibe dann dabei außen vor. Wie bei der langen Diskussion über die Y-Trasse wollen diejenigen, die gerade in Berlin und Hannover regieren, etwas anderes als die Menschen vor Ort. Wenigstens sei es eine Verbesserung gegenüber dessen, was bislang galt, sagt Luttmann genau wie der SPD-Bundestagsabgeordnete Lars Klingbeil.
Volker Meyer, Geschäftsführer des Wasserversorgungsverbands Rotenburg-Land, sieht es zunächst ähnlich pragmatisch: „Es wird mehr geregelt sein als im jetzigen Bergrecht.“ Das betreffe zum Beispiel Fracking-Verbotszonen in Wasserschutz- und Einzugsgebieten für die Trinkwasserversorgung, das grundsätzliches Verbot von Lagerstättenwasserverpressung in Kalkarenit, das Verbot des Einsatzes von wassergefährdenden Stoffen sowie das Vetorecht für die Wasserbehörden bei Verpress- oder Fracking-Anträgen. Offen sei allerdings noch, wie künftig in Vorranggebieten für die Trinkwassergewinnung vorgegangen werde, hier insbesondere zum Schutz der Rotenburger Rinne.
Lesen Sie zum Thema einen Kommentar von Michael Krüger.
Genau dort plant „ExxonMobil“ nämlich auch auf Basis der zu erwartenden Gesetzgebung den nächsten Frac, es wäre auf dem Bohrplatz Bötersen Z11 seit 1982 der insgesamt 70. im Kreisgebiet. „Hierfür muss der Antrag auf Basis der künftig geltenden Rechtslage gestellt werden. Das wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Anschließend würde die Umweltverträglichkeitsprüfung mit Öffentlichkeitsbeteiligung folgen, die wiederum einen erheblichen Zeitaufwand mit sich bringt“, heißt es von Exxon-Sprecher Florian Pautzsch.
Auch die Landesregierung geht derzeit nicht von einer zügigen Genehmigung entsprechender Anträge aus. „Eine Entscheidung ist nicht kurzfristig zu erwarten“, erklärt eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. Mit Hinweis auf künftig ausgewiesene Trinkwassergebiete heißt es: „Wir gehen davon aus, dass es auch längere juristische Auseinandersetzungen geben könnte; da reden wir nicht von Zeiträumen in Wochen oder Monaten, sondern eher von Jahren.“
Dass es überhaupt zu einer so schnellen Entscheidung gekommen ist, empört die Landtagsabgeordnete Elke Twesten (Grüne) aus Scheeßel: „Ein unverantwortliches Vorgehen, das den Interessen von Mensch, Umwelt und Natur im Landkreis Rotenburg vollkommen zuwider läuft!“ Wie ihr Kollege in der rot-grünen Landesregierung, Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD), von einer Annäherung an das Ziel, „Ökologie und Ökonomie in Einklang zu bringen“, sprechen kann, sei ihr „schleierhaft“. Alle in der Region hochgradig betroffenen Akteure seien über dieses Vorgehen in höchstem Maße irritiert, die von den mit der Erdgasförderung einhergehenden Risiken betroffenen Menschen im Landkreis fühlten sich „verraten und verkauft“. Die Entscheidungen seien ein Musterbeispiel misslungener Kommunikation, von Bürgerbeteiligung keine Spur.
Dem stimmt Kathrin Otte vom „Gemeinnützigen Netzwerk für Umweltkranke“ sofort zu: „Das Fracking-Gesetzespaket ist ausreichend, um den Auftakt zum Fracking in jeder Tiefe und sogar in Natura-2000-Gebieten ohne geordnete Abfallentsorgung zu vollziehen – also auch statt ein Ende der Verpressungspraxis ihr Ausbau.“ Für die Menschen in Niedersachsen sei diese von Wirtschaftsminister Lies persönlich vorangetriebene Fracking-Walze eine bedrohliche Entwicklung.
Am Freitag wird in Berlin abgestimmt. Während SPD-Politiker Klingbeil noch versichert, die Regelungen „Punkt für Punkt, Paragraf für Paragraf“ durchzugehen, um die Auswirkungen auf die Region zu prüfen und nicht hinter seine Forderungen zurückzufallen, stellt seine Koalitionskollegin Kathrin Rösel (CDU) eine Zustimmung in Aussicht: „Eine Ablehnung hätte einen Rückfall in die bisherige Gesetzeslage zur Folge, womit wir alle nicht einverstanden sind.“
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hat den Kompromiss als „guten Abschluss“ einer langen Kontroverse begrüßt. Ob sie damit auch in der Region Gehör findet, wird sich spätestens am Montag zeigen – dann ist sie zu einem Fachgespräch im Rotenburger Rathaus. Zur Begrüßung ist ab 15 Uhr eine Kundgebung von Fracking-Gegnern auf dem Pferdemarkt geplant.